Oper Köln: “Rheingold” bildstark inszeniert

Oper Köln/RHEINGOLD/Bettina Ranch (Fricka), Emily Hindrichs (Freia)/Foto © Matthias Jung
Das Haus war komplett ausverkauft, am Ende gab es lebhaften Applaus, aber auch ein paar kräftige Buhs für das Regieteam. Eigentlich soll „Der Ring des Nibelungen“ im wiedereröffneten Haus am Offenbachplatz aufgeführt werden, aber Verzögerungen bei der Freigabe des Baus erforderten die Premiere des Vorabends im Staatenhaus. Kinder spielen mit ihrer kindlichen Sicht eine große Rolle in der Inszenierung von Paul Georg Dittrich. Er präsentierte am 26. Oktober 2025 das „Rheingold“ und kombinierte Musiktheater mit Bewegungstheater einer Kindergruppe, die die Darstellenden doppelte, und einer verwirrenden Vielzahl visueller Elemente. Das von ihm gezeigte Weltbild trübte sich immer mehr ein und erzeugte Endzeitstimmung. Mit zahlreichen Rollendebuts wie Jordan Shanahan als Wotan, Lucas Singer als Fafner und Adriana Bastidas-Gamboa als Erda, aber auch erfahrenen Wagner-Expert*innen wie Mauro Peter als Loge, Martin Koch als Mime, Daniel Schmutzhard als Alberich und Bettina Ranch als Fricka hatte die Kölner Oper ein hochkarätiges typgerechtes Ensemble aufgeboten. (Rezension der Premiere v. 26. Oktober 2025)
Nach dem Auftakt im tiefen Es-Dur entwickelte sich Alberichs Szene mit den Rheintöchtern auf dem Grund des Rheins mit Hilfe einer Kindergruppe, die die Rheintöchter und Alberich doubelten, und die die szenische Aktion übernahmen, während Alberich und die Rheintöchter in schwarzer Abendgarderobe sangen. Der Kinderdarsteller des Alberich war tatsächlich durch einen umgeschnallten Bauch entstellt und hinkte, während der Sänger Daniel Schmutzhard im Frack sehr elegant wirkte. Zum Szenenwechsel malten die Kinder ein großes Bild, das sich nach der Verwandlungsmusik umrahmt von einem stilisierten Auge als Bühnenprospekt zeigte. Die Szene war als Comic gestaltet, Wotan mit Flügelhelm und Speer, Fricka mit Krone, Freya im rosa Prinzessinnenkleid, Donner mit einem Riesenhammer und Loge entstieg mit einem feuerroten Anzug einer großen roten Flamme. Die quietschbunten Kostüme von Mona Ulrich lehnten sich an Comic-Figuren an und wirkten wie gezeichnet. Die Riesen rückten mit einem schweren gelben Bulldozer an und trugen gestreifte Anzüge mit Dollarzeichen an Halsketten.
Oper Köln/RHEINGOLD/Foto © Matthias Jung
Ebenfalls umrahmt von diesem stilisierten Auge – vermutlich sollte das den Blickwinkel der Kinder andeuten – wurde Nibelheim als abstrakte Produktionsanlage in mehreren Ebenen mit Gängen aus Plexiglas gezeigt mit einer großen ringförmig gebogenen erleuchteten Leiter, die der Iris des Auges entsprach. Der Hintergrund war durchgehend mit LED-Effekten beleuchtet. Die Kinder spielten die geknechteten Nibelungen. Das Bühnenbild gestalteten Pia Dederichs und Lena Schmid, die Videoinstallationen erarbeitete Robi Voigt. Die Kinder belebten einen vielfüßigen bedrohlichen roten Drachen, mehr eine Riesenschlange, die sich durch die transparenten Gänge wand und die Bühne dominierte. Der von Wotan gefesselte Alberich wurde abgeführt, die Umrandung des Gesichtsfelds durch das stilisierte Auge verschwand, der Riesenring – die Iris des Auges – blieb im dritten Bild stehen. Das Rheingold wurde visualisiert in Form von vier goldglänzenden Projektionsstelen. Die Szene, in der Alberich, genötigt durch Wotan und Loge, Zug um Zug seinen ganzen Reichtum einschließlich Tarnkappe und Ring, verliert, und die in seinem Fluch gipfelte, war ein Highlight der Umsetzung, denn Loge führte Alberich an einer Art Elektroschocker. So war auch die Frage: Bin ich nun frei? Wirklich frei? nachvollziehbar, der Fluch unüberhörbar bedrohlich. Kurz freute Wotan sich am unseligen Ring, da gab er ihn auch schon, von Erda gewarnt, an Fafner und Fasolt ab. Unverzüglich forderte der verfluchte Ring sein erstes Opfer: Fafner erschlug seinen Bruder Fasolt im Streit um den Ring, und Fafner zog mit dem Ring am Finger von dannen. Ob sich der Verzicht auf Weibes Freud und Wonne für ihn lohnen wird? Wotan und seine Sippschaft zogen jedenfalls ungeachtet der Klagen der Rheintöchter in ihre prangende Burg, die sie mit dem durch Raub erbeuteten Rheingold bezahlt hatten.
Marc Albrecht, der 2023 mit Die Frau ohne Schatten einen großen Erfolg in Köln feiern konnte, dirigierte das Gürzenichorchester und bewies mit der sorgfältigen Ausarbeitung der Dynamik und der Leitmotive, dass das Orchester oft mehr weiß als die Singenden. Vor allem die Verwandlungsmusiken waren der reine Genuss. Wagner hat den „Ring des Nibelungen“ für das Bayreuther Festspielhaus mit dem überdeckten Graben komponiert. In Köln war das große Orchester mit den strahlenden Blechbläsern breit gefächert direkt vor der Bühne aufgebaut, was den Orchesterklang stark betonte. Man hätte es vermutlich besser, wie bei Die Frau ohne Schatten seitlich platziert, denn sobald gesungen wurde, wirkte das Orchester etwas zu laut. Aber das wird anders, wenn der komplette Ring 2027 im Haus am Offenbachplatz gezeigt werden kann.
Nachtalbe Daniel Schmutzhard als Alberich und Lichtalbe Jordan Shanahan als Wotan unterschieden sich von Stimme und Temperament her deutlich. Hier der raue, frustrierte körperlich benachteiligte garstige Zwerg, dort der charmante klangschöne Herrscher und Womanizer Wotan, die sich spannende Wortgefechte um das Rheingold lieferten. Die sehr verführerisch singenden Rheintöchter Giulia Montanari (Woglinde), Regina Richter (Wellgunde) und Johanna Thomsen (Flosshilde) aus dem Ensemble harmonierten vortrefflich.
Oper Köln/RHEINGOLD/Statisterie, Adriana Bastidas-Gamboa (Erda), Lucas Singer (Fafner), Emily Hindrichs (Freia)/Foto © Matthias Jung
Die Riesen Fafner (Lucas Singer) und Fasolt (Christoph Seidl) imponierten durch Körpergröße und klare Textverständlichkeit. Dabei wirkte Fasolt durchaus softer als Fafner, der knallhart auf seinen materiellen Vorteil bedacht war. Emily Hindrichs war die hinreißende Göttin Freia mit ihrem mädchenhaften lyrischen Sopran. Durchsetzungsfähiger als ihr Mann Wotan wirkte Bettina Ranch als Fricka, die die natürliche Autorität einer Göttin stimmgewaltig ausdrückte. Adriana Bastidas-Gamboa debütierte weiß geschminkt als Erda mit wunderschönem dunklem Timbre im weißen Kleid – fast ein Brautkleid – mit Riesenreifrock, unter dem sich eine Schar Kinder versteckt, und warnt Wotan vor dem Ring.
Viel zu spät tritt Mauro Peter als Loge, Gott des Feuers, aus einer riesigen roten Flamme. Er ist Wotans Rechtsbeistand, ein amoralischer Intellektueller, herrlich schmierig und verschlagen. Er horcht den geschwätzigen Mime (Martin Koch) aus und überlistet Alberich. Die beiden Charaktertenöre glänzten durch hervorragende Textverständlichkeit und anschauliche, nicht überzogene Darstellung. Miljenko Turk als Donner und Tuomas Katajala als Froh, Frickas Brüder, komplettierten die Götterfamilie. Ein großes Kompliment verdienen die 14 Kinder, die als Bewegungschor, als Statisten und zum Teil als Playback-Doubles die szenische Umsetzung ergänzten.
Oper Köln/RHEINGOLD/Statisterie, Regina Richter (Wellgunde), Giulia Montanari (Woglinde), Johanna Thomsen (Floßhilde)/Foto © Matthias Jung
Im ersten Bild spielen Kinder als Darstellende mit den Singenden im Playback, das schafft allerdings Verwirrung. Das zweite und dritte Bild zeigen in dem stilisierten Auge die kindliche Sicht der Handlung mit den Akteuren als Comic-Figuren. Dadurch wird der besondere Nimbus der Götter und Alben klar. Der Rückgriff auf Kinderdarsteller, die den Nachtalben Alberich tatsächlich hinkend und hässlich zeigen, Wotan, den Lichtalben dagegen mit den Attributen Flügelhelm und Speer im Comic, zeigt den Gegensatz. Dass Alberich über magische Kräfte verfügt- ein Runenzauber half ihm, Ring und Tarnkappe zu schmieden, und zumindest der Drache wurde im Comic-Stil als von Kindern animierte Riesenschlange gezeigt- wurde hier besonders deutlich. Insgesamt sah man einen Stilbruch vom dritten zum vierten Bild durch das Entweichen aller Farben, Symbol für den Verlust der Unschuld durch den Einsatz von Gewalt. Die Götter, Riesen und auch die Rheintöchter trugen im vierten Bild Schwarz, auf vier LED-Tafeln erschienen Worte Wie FELSEN und FLUSS und später grimmige Avatare der Götter. Die prangende Burg war im Publikum verortet, der Einzug der Götter wurde nur durch die pompöse Musik ausgedrückt.
Es war eine interessante Erfahrung und hat neugierig auf die weiteren drei Teile gemacht. Der Ring des Nibelungen wird im März 2026 mit der Walküre fortgesetzt.
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Köln / Stückeseite
- Titelfoto: Oper Köln/RHEINGOLD/Statisterie, Daniel Schmutzhard (Alberich), Martin Koch (Mime)/Foto © Matthias Jung



