Tennis-Sensation Valentin Vacherot: Der Millionär, der im Peugeot 307 durch Monte Carlo kurvt

Tennis-Sensation Valentin Vacherot
Der Millionär, der im Peugeot 307 durch Monte Carlo kurvt
Als Nummer 204 gewann der Monegasse das Masters-1000-Turnier in Shanghai, nun schlägt er in Basel auf. Das Leben des 26-Jährigen steht kopf – doch er bleibt geerdet.
Publiziert heute um 06:11 Uhr
Ungläubiges Staunen: Valentin Vacherot nach seinem Sieg im Halbfinal über Novak Djokovic.
Foto: Hector Retamal (AFP)
In Kürze:
- In Shanghai gewann der unbekannte Monegasse Valentin Vacherot überraschend den Titel.
- Der 26-jährige Qualifikant bezwang im Final seinen Cousin Arthur Rinderknech.
- Als früherer College-Spieler stieg Vacherot von Rang 204 auf Position 40.
Die Frage ist Valentin Vacherot in den letzten Tagen einige Male gestellt worden: «Haben Sie sich nun etwas Spezielles geleistet?» Der Monegasse spielte mit seinem Sensationssieg am Masters-1000-Turnier in Shanghai 1,124 Millionen Dollar Preisgeld brutto ein. Und auch wenn noch einiges für Steuern abgeht: Da bleibt am Ende ein stolzer Betrag übrig. Hat er sich davon etwa ein neues Auto gekauft?
Der 26-Jährige lächelt und sagt: «Ein Auto habe ich mir tatsächlich schon einen Monat vor dem Turnier gekauft – also werde ich das jetzt nicht gleich wieder verkaufen, nur weil ich gewonnen habe. Ich habe es zusammen mit meinen Eltern erworben, so kommt es gar nicht infrage, es gleich wieder loszuwerden.» Es ist kein Auto, mit dem man auffällt, sondern ein zweckmässiger Kleinwagen, wie er auf Nachfrage verrät: ein Peugeot 307.
Vacherots Coup ist die Story des Jahres
Schon jetzt steht fest: Valentin Vacherot hat die Tennisstory des Jahres geschrieben. Seine US-Freundin Emily Snyder war unschlüssig, ob es sich lohne, ihn nach Shanghai zu begleiten. Denn als neunter Ersatzspieler für die Qualifikation angereist, waren seine Chancen gering, überhaupt zum Einsatz zu kommen.
Doch er rutschte nicht nur nach und qualifizierte sich, er gewann gleich auch das Turnier. Als Nummer 204 der Welt siegte er in neun Matchs, schlug unter anderen Novak Djokovic und im Final seinen Cousin Arthur Rinderknech. Ihre Mütter sind Schwestern – der Familienchat lief heiss.
Eine Familienangelegenheit: Arthur Rinderknech (links) und Valentin Vacherot nach dem Final.
Foto: Lintao Zhang (Getty Images)
In den Monaten zuvor hatte sich Vacherot auf der zweitklassigen Challenger-Tour mehr schlecht als recht durchgeschlagen. In Shanghai kam plötzlich alles zusammen. Wie kann es sein, dass das Topniveau, das offenbar in ihm geschlummert hatte, mit 26 plötzlich aus ihm herausgekommen ist?
«Das weiss ich ehrlich gesagt selbst nicht genau», sagt er schulterzuckend. «Ich habe immer wieder mal sehr gut gespielt, einen Satz lang, vielleicht einen ganzen Match. Und natürlich auch im Training – aber nie über ein ganzes Turnier, schon gar nicht über zwei Wochen bei einem so grossen Event.»
In Shanghai klappte plötzlich alles
Vacherot geriet in Shanghai in den Flow. Alles floss, seine Schläge funktionierten wie selbstverständlich. «Ich spürte in Shanghai etwas in meinem Tennis, was ich vorher noch nie gefühlt hatte», sagt er. «Dabei hatte ich nichts Spezielles gemacht. Und ich dachte keine Sekunde daran, das Turnier zu gewinnen. Als ich die Qualifikation und die ersten ein, zwei Runden überstanden hatte, war das für mich schon ein Riesenerfolg. Ich spürte keinen Druck und versuchte einfach, Spass zu haben.»
Wobei er sich, als es plötzlich so gut lief, streng an gewisse Routinen klammerte: Auf der Anlage duschte er täglich zweimal in der gleichen Dusche. Im Shuttle vom Hotel zum Stadion sassen er, seine Freundin und sein Coach und Halbbruder Benjamin Balleret immer auf den gleichen Sitzen. Sie assen immer im gleichen italienischen Restaurant. Und seine Freundin benutzte im Stadion stets die gleiche Toilette. Nur nichts ändern – um die Magie nicht zu zerstören.
Mit Pokal und Freundin: Valentin Vacherot küsst Emily Snyder.
Foto: Lintao Zhang (Getty Images)
Sein Coup machte Vacherot nicht nur auf einen Schlag reich und katapultierte ihn auf Rang 40, er ist nun auch ein Promi geworden. Auf der Strasse in Monte Carlo wurde er letzte Woche immer wieder angesprochen. Bei der Feier im Monte Carlo Country Club schaute auch Fürst Albert II. vorbei und gratulierte.
Der Fürst hat als fünffacher Olympiateilnehmer im Bob ein besonderes Flair für den Sport. Und einen Tennischampion hatte Monaco noch nie. Der bekannteste sportliche Monegasse ist Charles Leclerc, Formel-1-Pilot bei Ferrari und achtfacher GP-Sieger.
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Vacherots Leben wurde auf den Kopf gestellt. Die Teilnahme an den Challenger-Turnieren nach Shanghai hat er abgesagt. Stattdessen beantragte und erhielt er eine Wildcard für die Swiss Indoors und hofft auf die Teilnahme in Paris-Bercy in der folgenden Woche. Und er kann nun fix mit einer Teilnahme am Australian Open 2026 planen und hat seinen Eltern versprochen, dass er ihnen den Flug und den Aufenthalt bezahlen wird.
Mit seinem Coup gibt Vacherot anderen Spielern ausserhalb der Top 100 Hoffnung, die auf Challenger-Stufe festzustecken scheinen. «Viele Spieler und Trainer haben mir nach Shanghai geschrieben, um mir zu danken. Sie sagten, mein Erfolg habe ihnen Mut gemacht, weil er zeige, dass es möglich ist. Selbst wer um Platz 200 steht, kann das Niveau haben, um unter die Top 50 zu kommen – das wissen viele, aber man braucht diesen einen Moment, in dem alles zusammenpasst.»
Er selbst habe gewusst, dass sein Tennis gut genug sei. Und er habe sich gesagt: Wenn es der Russe Aslan Karatsew am Australian Open 2021 als Nummer 114 in den Halbfinal schafft oder der Franzose Terence Atmane kürzlich in Cincinnati als Qualifikant in den Halbfinal stürmt, wieso sollte das nicht ihm passieren? «Ich kenne Terence sehr gut, wir haben oft zusammen Challenger gespielt. Das hat mich auf Ideen gebracht, so wie mein Erfolg nun andere inspirieren wird.»
Vacherot galt nie aus Ausnahmetalent, sondern als harter, gewissenhafter Arbeiter. Dass er erst mit 26 seinen Durchbruch geschafft hat, ist kein Zufall. Auf Rat seines Cousins Rinderknech wechselte er mit 18 an ein US-College in Texas und spielte und studierte dort vier Jahre, ehe er nach seinem Abschluss 2020 mit 22 ins Profitennis wechselte. Ein Weg, den immer mehr Spieler gehen.
US-College als guter Weg ins Tennis
«Der College-Weg hat vor etwa zehn Jahren so richtig an Bedeutung gewonnen», sagt Vacherot. «Viele der heutigen Top-100-Spieler waren damals an der Uni. Die Profitour ist so hart geworden, dass es heute mehr vom mentalen und physischen als vom technischen Niveau abhängt. Alle können den Ball gut schlagen, aber nicht alle halten das durch. Wenn man kein Top-20-Junior ist, ist das College eine sehr gute Option. Dort kann man ohne Druck trainieren, körperlich reifen und mental wachsen.»
Was er in Shanghai erlebt habe, werde ihm helfen, dieses Niveau künftig öfter abzurufen, glaubt Vacherot, der in Basel die Nummer 1 Taylor Fritz fordert. Und selbst wenn es nie wieder so perfekt läuft – den Moment, in dem alles zusammenpasste, trägt er für immer in sich.
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Simon Graf ist Autor im Ressort Sport und berichtet seit 1994 über Eishockey und Tennis. Er studierte an der Universität Zürich Geschichte und Germanistik und verfasste mehrere Sportbücher. Sein jüngstes: «Inspiration Federer».Mehr Infos@SimonGraf1
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