«Babo – Die Haftbefehl-Story»: Wahrheit, Ruhm und die Abgründe des Lebens

Der Netflix-Film «Babo – Die Haftbefehl-Story» zeigt den Aufstieg und den Zerfall eines Rap-Stars – und birgt die leise Hoffnung, dass Drogen im Deutschrap fortan weniger verherrlicht werden.
Ausverkaufte Hallen überall: Der Deutsch-Rapper Haftbefehl.
Netflix
Janis Joplin, Kurt Cobain, Amy Winehouse: Es ist eine alte und oft erzählte Geschichte, wie Stars am Ruhm und an den Drogen zerbrechen. Neu ist, dass sie sich dabei filmen lassen – und im grössten Elend die Kamera sogar selbst auf sich richten.
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Das passiert im soeben auf Netflix erschienenen Biopic über Haftbefehl, einen der erfolgreichsten Deutschrapper der letzten Dekade. «Warum ich hier bin?», fragt der als Aykut Anhan in Offenbach bei Frankfurt geborene 39-Jährige zu Beginn. «Falls mir irgendwann etwas passiert, will ich, dass meine Geschichte aus meiner Sicht erzählt wird.» Logisch, denkt man, wer will das nicht? Vor allem, wenn die Glanzzeiten bereits etwas zurückliegen. Haftbefehl, der Sohn kurdisch-türkischstämmiger Eltern, hat mit Hits wie «Chabos wissen wer der Babo ist» nicht nur die Rap-Szene, sondern auch die Jugendsprache geprägt. Die Fans feiern ihn für seine Authentizität, das Feuilleton für seine eigenwillige Sprachkunst, ein virtuoser Mix aus Deutsch, Kurdisch, Arabisch und Englisch.
Bereits in den ersten Szenen des vom deutschen Schauspieler Elyas M’Barek mitproduzierten Films wird klar: Das hier wird keine weitere glattpolierte Filmbiografie wie kürzlich die über Victoria Beckham. Da sitzt ein von Drogen gezeichneter Rapper und spricht mit brüchiger, vom Husten geschüttelter Stimme darüber, wie er mit 13 Jahren zum ersten Mal Kokain nahm – und mit 15 sein Vater sich das Leben.
Die Folgen dieser traumatischen Erlebnisse werden im Film schonungslos offenbart. Er zeigt zwar den Aufstieg eines Kleinkriminellen zum gefeierten Rapstar und gewährt Einblicke in ein migrantisches Aufwachsen in Deutschland, zwischen Schul-Abbruch, Drogendeals und Jugendarrest. Doch es sind die Momente seines Zerfalls, die bleiben – und wie Haftbefehl sie selbst in Szene setzt. Er, schwitzend und röchelnd hinter der Bühne, wie Blut aus seiner zerstörten Nase tropft, oder wie er nach einer Überdosis fast stirbt.
So zeigt sich keiner, der auf ein Comeback hofft. Und so regt sich sogar die leise Hoffnung, dass nach dieser Doku vielleicht Drogen im Deutschrap weniger verherrlicht werden. Und wenn «Hafti» am Schluss vom Kameramann gefragt wird, warum er kein einziges Mal gesagt habe, man dürfe das nicht zeigen, will man ihm gerne glauben, wenn er nuschelt: «Du meinst so lügen? Nein, das will ich nicht. Das muss ehrlich sein, Bro.»
Babo – Die Haftbefehl-Story, auf Netflix.
Ein Artikel aus dem «NZZ am Sonntag»




