Rossmann und dm wehren sich: Shitstorm um AfD-Einladung

Hamburg – Druck, Drohungen, Shitstorm mit E-Mail-Überflutung: Die Chefs der beiden größten deutschen Drogerie-Ketten Rossmann und dm, Raoul Roßmann und Christoph Werner (53), haben sich bei Markus Lanz (56) gemeinsam gegen wütende Angriffe sowohl von Anhängern als auch von Gegnern der AfD verteidigt.
Auslöser war die umstrittene, inzwischen zurückgezogene Einladung der Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann (47), zu einem Parlamentarischen Abend, an dem auch AfD-Politiker teilnehmen sollten. Folge: scharfe Kampagnen der AfD gegen Rossmann und der NGO „Campact“ gegen dm.
Rossmann: „Wir treten da aus!“
Roßmann über die Hintergründe: „Ich habe am Montag davon erfahren, dass da was aufzieht, und mir erst einmal die Frage gestellt: Sind wir Mitglied im Verband? Klare Devise bei Roßmann: Wir sind nur noch in Verbänden Mitglied, in denen wir auch mitsprechen, uns engagieren und in den Meinungsbildungsprozess involviert sind. Das waren wir ganz offensichtlich nicht, also habe ich die Entscheidung getroffen: Wir treten da aus.“
Der Vorwurf des Unternehmers: „Was mich inhaltlich gestört hat, war die Verquickung mit dem Thema ‚Die Brandmauer ist gescheitert‘. Das war für mich eine rote Linie, weil diese Linie ein historisch gut begründeter Warnhinweis ist, warum man nicht mit extremistischen Parteien zusammenarbeiten sollte. Ich sehe die Gefahr, dass wir uns zum Sparringspartner und zum Coach der AfD machen.“
Keine Hilfestellung für AfD bei Wahlprogramm
Roßmanns Befürchtung: „Wir reden mit denen, erklären ihnen noch schön brav, was sie alles falsch machen, und die AfD sagt: interessante Hinweise, wir versuchen jetzt mal, unsere Wahlprogrammatik so anzupassen, dass wir für die Wirtschaft wählbar werden. Ich glaube, das ist schon eine Gefahr.“
Roßmann ironisch: „Ich glaube nicht, dass die meisten Menschen die AfD wählen aufgrund ihres überragenden Wirtschaftsprogramms.“ Auch nicht die AfD-Wähler, „die ich innerhalb meines Bekannten- und Freundeskreises habe, und mit denen ich letzte Woche sehr engagiert diskutiert habe“. Roßmann klipp und klar: „Ich setze mich auch sehr gern mit Positionen der AfD auseinander, aber klar, dass die AfD dieses Land wirtschaftlich nicht weiterbringen würde.“ Danach drohte ihm die Rechtsaußen-Partei indirekt sogar mit einem Boykott.
dm-Chef: „Wir waren schon ausgetreten“
dm-Chef Werner zu seiner Reaktion auf die umstrittene Einladung: „Ich habe das gar nicht mehr groß verfolgt, weil wir im Juni schon ausgetreten waren. Wenn man in einem Verband dabei ist, ist es wichtig, sich einzubringen, um mitzugestalten, und das konnte ich nicht leisten.“
Raoul Roßmann, Chef der Drogeriemarktkette
Dann aber, so Werner weiter, „haben wir eine Anfrage von der SZ gekriegt. Ich habe gesagt, wenn man einen Parlamentarischen Abend machen möchte, dann sind Mitglieder des Bundestages eingeladen, und da geht’s nicht darum, dass sie Mitglieder einer Partei, sondern des Bundestages sind. Das halte ich für legitim.“
Demokratie braucht Debatte
Denn, so der dm-Chef jetzt bei Lanz: „Es ist wichtig für eine parlamentarische Demokratie, dass wir Debatten führen in diesem Land, und zwar freimütig und auch wohlwollend. Wenn wir sagen, dass mit gewissen Menschen nicht gesprochen werden darf, auch wenn sie in Parlamenten sitzen, dann laufen wir früher oder später auf ein großes Problem zu. Das treibt mich um, und das habe ich angesprochen.“
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Werners Analyse: „Ich glaube grundsätzlich, dass eine Entwicklung nur möglich ist, wenn wir einen Diskurs haben, wo drei Dinge wichtig sind: dass wir uns freimütig mitteilen, dass wir einander wohlwollend zuhören und dass wir wahrhaftig sind, also nicht mit Phrasen operieren.“
Die Warnung des Unternehmers: „Wenn wir jetzt anfangen zu sagen, mit gewissen Parteien diskutieren wir grundsätzlich nicht, wenn wir anfangen, Sprechverbote zu haben, dass man gewisse Begriffe nicht mehr sagen darf, dann geben wir denen, die wir ausschließen wollen, eine unglaubliche Macht über unseren eigenen Diskurs. Und das ist nicht klug.“
Mails, Drohungen, Social-Media-Terror
Werner zu den Angriffen: „Da haben sich Abgründe aufgetan, dass wir bombardiert wurden mit sehr scharfen E-Mails, mit dem Phänomen des Zuspammens (Überflutens, d. Red.) unserer Social-Media-Kanäle. Das Interessante war, dass die Mails immer in der gleichen Struktur waren. Da wurde erst mal was unterstellt, dann wurde gedroht, Boykott, öffentlich machen, was Sie jetzt sagen, und dann wurden Forderungen aufgestellt, ich solle mich bekennen, dass wir austreten aus dem Verband der Familienunternehmer, und dass wir die AfD verurteilen.“
„Lasse mich nicht unter Druck setzen“
Seine Reaktion auf die Forderungen der Polit-NGO „Campact“: „Da muss ich als Unternehmer sagen: Ich lasse mich nicht unter Druck setzen. Was ich überhaupt nicht akzeptieren kann, ist, wenn ich angeschrieben werde von einer aktivistischen Organisation über ihr Netzwerk, die im Prinzip sagt: Bekenne dich, dass du austrittst, sonst werden wir veröffentlichen, dass du Mitglied bist. Wir waren ja schon ausgetreten, aber das war kein Grund für mich, kleinbeizugeben.“
Werners empörter Vorwurf: „Das sind doch Mittel der Beschämung und des Unterdrucksetzens! Was erlaubt sich denn diese Organisation, als NGO, mich unter Druck zu setzen, dass ich mich öffentlich zu bekennen habe, weil ich sonst beschämt und an den Pranger gestellt werde?“
Kollege und Konkurrent Roßmann ebenso entrüstet: „Diese Verunglimpfung von dm fand ich obszön.“ Und über die Kampagnen für und gegen die AfD: „Extrem ärgerlich, dass wir da vor den Karren gespannt worden sind.“



