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Hätte schlechter laufen können für die Eintracht

Als die Mannschaft von Eintracht Frankfurt aus dem Bus stieg und die Tribünen sich füllten, lag über dem neuen Camp Nou ein Summen wie vor einer Wiedereröffnung. Über allem haftete der Geruch von Beton und Farbe, frisch verlegte Kabel hingen an den Wänden. Zwei Jahre war Europas vielleicht berühmteste Fußballbühne für internationale Partien verschlossen gewesen, nun hallte erstmals wieder die Hymne der Champions League durch die Arena, die zur einen Hälfte einen Blick in die Zukunft gestattet, aber nach wie vor nicht mehr als einen halbfertigen, von Kränen und Containern flankierten Rohbau abgibt.

Zwischen den eingerüsteten Rängen ballte sich eine Erwartung, die weit über ein Spiel in der Gruppenphase der Königsklasse hinausging: Barcelona wollte nach dem 2:3 von 2022 Wiedergutmachung, die Eintracht hingegen suchte in ihrer Schieflage – zwischen Verletzungssorgen, Rückschlägen und keimenden Zweifeln am Trainer – einen Abend, der wieder Halt bot und zeigte, dass ihre Widerstandskraft nicht verloren war.

Als die Katalanen auf der Großbaustelle früh das Tempo anzogen und nach vorne stürmten, schien sich zunächst die erwartete Rollenverteilung abzuzeichnen. Doch die Eintracht stemmte sich mit Entschlossenheit dagegen, gewann Zweikämpfe, setzte Nadelstiche. Es wirkte phasenweise, als könne sie den Ton der Geschichte dieses Abends setzen. Direkt nach dem Wiederanpfiff kippte dann die Partie. Barcelona fand nun jene Schlagkraft, die zuvor gefehlt hatte, traf zweimal durch Jules Koundé (50. und 53. Minute) zum 2:1, machte somit das Frankfurter Führungstor von Ansgar Knauff (21.) wett und ließ das Spiel in die Richtung laufen, die so viele vorab prognostiziert hatten – nur eben später.

Trotz des enttäuschenden Resultats gewann die Eintracht dem Abend Ermutigendes ab, wie Markus Krösche festhielt. „Es war wichtig, dass wir als Mannschaft aufgetreten sind. Jeder war für den anderen da und hat sich an den Plan gehalten. So können wir auch gegen solche Gegner mithalten. Das muss unser Standard sein“, sagte der Sportvorstand und bedauerte, „dass wir nicht wenigstens einen Punkt mitnehmen“.

„Mein Glaube an die Mannschaft ist ungebrochen“

Krösche, der zuletzt betont hatte, dass es keine Diskussion um Dino Toppmöller geben würde, stärkte dem Coach demonstrativ den Rücken: „Es ist klar, dass auch er nicht zufrieden war. Wir haben einen hohen Anspruch. Wir wollen nächstes Jahr wieder international spielen. Wir sind kritisch, hinterfragen uns und sprechen Dinge an.“ Die Zielsetzung für die nun verbleibenden zwei Partien gegen Augsburg an diesem Samstag vor eigenem Publikum und am 20. Dezember beim Hamburger SV formulierte Krösche unmissverständlich: „Wir wollen sechs Punkte holen.“

Toppmöller ging nicht auf seinen persönlichen Gemütszustand ein, sondern stattdessen lieber auf die Bedeutung des demonstrierten Behauptungswillens seiner Elf. Entscheidend sei gewesen, „den Fokus darauf zu legen, was wir komplett unter Kontrolle haben: füreinander einzustehen“. Die Reaktion auf die Fehlleistung am vergangenen Wochenende beim 0:6 in Leipzig nannte er „gut“. Grundsätzlich spielten sie Fußball, um ein Ergebnis zu erzielen, wie er sagte, „wichtiger war heute aber, dass es gelungen ist, den Glauben jedes Einzelnen an sich zu stärken“.

Durch die Schmach gegen RB sei bei dem ein oder anderen das Selbstverständnis „gebröckelt“, sagte Toppmöller und fügte an: „Ich habe der Mannschaft eben in der Kabine gesagt, dass sie eine gute Mannschaft ist. Sie hat mit Charakter und Herz gespielt. Mein Glaube an die Mannschaft ist ungebrochen.“ Nun gelte es, unmittelbar mit der gleichen Leidenschaft weiterzumachen: „Unser wichtigster Wettbewerb bleibt die Bundesliga. Gegen Augsburg geht es nicht nur ums Verteidigen und Umschalten, da müssen wir Dinge kreieren. Wir wollen das Jahr mit unseren Fans versöhnlich abschließen.“

Im Camp Nou zahlte sich die Geschlossenheit aus. Barcelona hatte zwar 78 Prozent Ballbesitz, wusste mit dem Vorteil aber oft nichts anzufangen und präsentierte sich gerade in der ersten Hälfte wie ein Scheinriese. Nur zwei Chancen (und ein Abseitstor von Robert Lewandowski, 10. Minute) sprangen anfangs für den Favoriten heraus: Gerard Martín konnte Michael Zetterer mit einem Fernschuss (14.) nicht überwinden, Fermín López scheiterte an Eintracht-Kapitän Robin Koch, der den Versuch blockte (25.). Die Eintracht verzichtete auf hohes Pressing, ließ sich nicht locken, sondern blieb mit Arthur Theate, Rasmus Kristensen, Nathaniel Brown und Koch in letzter Reihe standhaft, Farès Chaïbi und Hugo Larsson verstärkten das Bollwerk. Es war nicht schön anzusehen, was die Frankfurter machten, aber der Zweck heiligte die Mittel. Theate nannte es „Eintracht-Mentalität“.

Krösche nutzte den Aufenthalt in Barcelona auch für Gespräche

Nach dem Seitenwechsel wendeten zwei nahezu identische Kopfballtreffer von Koundé dennoch das Blatt. „Der Ball vor dem 2:1 war lange in der Luft, da müssen wir uns anders positionieren“, kritisierte Krösche. Frankfurt brach aber anders als zuletzt nicht nach Gegentoren zusammen, hielt vielmehr die Begegnung offen, lauerte auf den einen Moment – den Theate ungenutzt ließ (59.). „Gegen Barca bekommst du wenige Möglichkeiten, da musst du effizient sein“, haderte Krösche. Nicht auszudenken, wenn die Eintracht noch Stürmer vom Format eines Omar Marmoush oder Hugo Ekitiké in ihrer Mitte hätte, dann wäre es womöglich erbaulicher ausgegangen. So brachte Toppmöller nach 68 Minuten für den ausgepowerten Knauff mit Elye Wahi einen Angreifer, von dem aufs Neue keine Impulse ausgingen.

Da in Kaderfragen in diesem Winter Handlungsbedarf herrscht, wurde in Barcelona auch abseits des Rasens einiges getan. Die Klubstrategen rund um Krösche nutzten den Aufenthalt für Gespräche mit potenziellen Zugängen. Unter anderem wurden nach F.A.Z.-Informationen mit den Beratern von Gonzalo García Optionen erörtert. Der 21 Jahre alte Mittelstürmer steht noch bei Real Madrid unter Vertrag. Wobei sich die Verhandlungen mit den Königlichen kompliziert gestalteten, weil nicht absehbar ist, wie es mit Cheftrainer Xabi Alonso weitergeht; Real würde gerne noch ein paar Wochen ins Land gehen lassen, die Eintracht am liebsten Anfang Januar Neuzugänge präsentieren.

Weiter fortgeschritten sind die Verhandlungen mit Sergi Altimira. Der 24-Jährige signalisierte seine Bereitschaft, in der kommenden Transferphase nach Frankfurt zu wechseln. Zwischen ihm und Toppmöller gab es Unterredungen, die Chemie zwischen beiden Seiten „stimme“, hieß es. Altimiras Vater, Aureli Altimira, der zu Zeiten Pep Guardiolas als Fitnesscoach in Barcelona beschäftigt war, stattete dem Eintracht-Tross am Dienstag einen Besuch ab. Zur Rede steht, dass Betis Sevilla als Noch-Arbeitgeber des defensiven Mittelfeldspielers zunächst vier Millionen Euro Leihgebühr erhalten kann und die Eintracht im Gegenzug bis Ende Juni 2026 die Option auf einen Kauf Altimiras eingeräumt bekommt.

Auch diese substanzielle Annäherung trug im Lager der Frankfurter dazu bei, dass der interne Tenor der dreitägigen Reise nicht überschwänglich, aber alles in allem nüchtern bis hoffnungsvoll ausfiel: Es hätte schlechter laufen können.

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