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Künstliche Intelligenz: Warum Pumuckls Stimme Sorgen auslöst

Stand: 30.10.2025 17:19 Uhr

Im neuen Pumuckl-Film klingt der Kobold fast wie früher – dank Künstlicher Intelligenz. Während bei Fans Nostalgie aufkommt, sind Synchronsprecher berunruhigt. Steht die Branche vor einem Wandel?

Von Helen Roth, SWR Kultur

Ein leises Kichern, ein schelmisches “Hurra!” – und schon ist man wieder mitten in der herrlich unaufgeräumten Werkstatt von Meister Eder. Nicht nur die liebevoll nachgebaute Kulisse lässt die Herzen von Nostalgie-Fans höher schlagen. Für viele klingt besonders die Stimme des Kobolds wie ein Stück Kindheit.

Pumuckl, gespielt und gesprochen von Kabarettist Maximilian Schafroth, ist zurück im neuen Kinofilm “Pumuckl und das große Missverständnis”. Der Rotschopf klingt dabei fast wie früher. Möglich macht das eine KI, die Schafroths Stimme so verändert, dass sie der unverwechselbaren Stimme des 2005 verstorbenen Hans Clarin gleicht. Dieser lieh der Kultfigur in der Fernsehserie von 1982 bis 1988 seine Stimme.

Für viele Fans ist das ein Glücksfall: Pumuckl klingt wieder “echt”. Doch was, wenn KI-Stimmen künftig echte Synchronsprecherinnen und -sprecher ersetzen oder ihre Stimmen ohne Zustimmung nutzen?

Wenn KI die Stimme übernimmt

Die Technik, die Schafroths Stimme in Clarins Klangfarbe verwandelt, kam schon in der neuen RTL+-Serie “Neue Geschichten vom Pumuckl” zum Einsatz. Während Schafroth spielt und spricht, passt ein KI-System den Tonfall, die Artikulation und selbst das Atemgeräusch an die historische Stimme an. Diese scheinbare Perfektion wirkt auf viele in der Branche beunruhigend.

Die Synchronsprecherin Katrin Fröhlich, die deutsche Stimme von Cameron Diaz, Gwyneth Paltrow und Heather Locklear, ist beeindruckt und besorgt zugleich: “Ich war völlig von den Socken, wie weit diese Technik schon ist. Erst dachte ich: Wie kann man das machen? Aber da es in Absprache mit den Hinterbliebenen von Hans Clarin geschah, ist es Hommage. Trotzdem – ein bisschen gruselt es mich schon.”

Die Angst vor der perfekten Stimme

Fröhlich erlebt täglich, wie KI in ihre Branche eindringt – ob bei Hörbüchern, Übersetzungen oder kleineren Produktionen. Viele Kolleginnen und Kollegen, so sagt sie, spüren bereits wirtschaftliche Folgen. “Es geht so schnell, dass man sich fragt: Können wir jungen Leuten überhaupt noch raten, in diesen Beruf zu gehen?”

Die Schauspielerin und Autorin sorgt sich aber nicht nur um Arbeitsplätze in ihrem Berufszweig, sondern um die Kunst des Synchronsprechens an sich: “Technik hat keine Seele. KI-Stimmen klingen zu perfekt. Da sind keine Pausen, da ist kein Zögern. Das ist steril. Es klingt wahnsinnig echt, aber es berührt einen nicht.”

Wie viele aus der Branche beklagt sie, dass KI die emotionale Tiefe menschlicher Interpretation tilgt. “Wir füllen unsere Rollen mit Erfahrung, Gefühl, unserer Seele. Das kann keine Maschine. Ich weiß nicht, ob wir uns auf Dauer mit so etwas Seelenlosem umgeben wollen.”

Wer schützt das Recht an der eigenen Stimme?

Ein weiteres Problem: die rechtliche Grauzone. Immer häufiger tauchen KI-generierte Stimmen bekannter Sprecherinnen und Sprecher im Netz auf – oft ohne deren Wissen. Fröhlich berichtet von Portalen, auf denen Nutzer beispielsweise personalisierte Glückwünsche mit Promistimmen kaufen können.

“Nahezu täglich erfahren wir von anderen Kolleginnen und Kollegen, dass unsere Stimme auf Plattformen im Internet ohne unsere Zustimmung genutzt wurde”, sagt sie. “Natürlich sehen wir auch keinen Cent davon. Die Anbieter sind der Meinung, das sei ein rechtsfreier Raum.”

So erging es auch dem Bruce-Willis-Sprecher Manfred Lehmann. Erst vor kurzem klagte der Schauspieler erfolgreich gegen ein YouTube-Format, das seine KI-generierte Stimme ohne Zustimmung verwendete. Doch die meisten Betroffenen haben kaum juristische Möglichkeiten, sagt Fröhlich. Am schlimmsten wäre es für sie, wenn ihre Stimme für politische Zwecke instrumentalisiert würde.

Hollywood und Stimmen im KI-Zeitalter

Auch über Deutschland hinaus sorgt KI für Streit um Stimmrechte: US-Schauspielerin Scarlett Johansson beanstandete 2024 eine KI-Stimme des Chatbots ChatGPT, die ihrer eigenen ähnelte. OpenAI reagierte, indem die betroffene Stimme pausiert wurde. Johanssons Anwälte forderten die Entfernung.

Auch Schauspieler Morgan Freeman erlebte bereits digitale Eingriffe. Ein israelisches Start-up bearbeitete 2021 seine Stimme, sodass der Oscar-Preisträger in Filmaufnahmen plötzlich Deutsch oder Spanisch sprach, ohne selbst synchronisiert zu haben. Wenn originale Stimmen fortan mittels KI in andere Sprachen übertragen werden, könnte das den Synchronsprechermarkt aushebeln.

Zwischen Vermächtnis und Verlust

Synchronsprecherin Fröhlich freut sich zwar, die vertraute Stimme von Hans Clarin in den Filmen wieder zu hören. Vor allem sieht sie die Stimme jedoch als Vermächtnis: “Ich finde es schön, eine Stimme zu vermissen – so wie man auch einen Schauspieler vermisst. Wenn man sie einfach reproduzieren kann, verliert das an Bedeutung. Ich wünsche mir, dass meine Kinder gefragt werden, wenn jemand meine Stimme noch einmal benutzen will.”

Der Mensch sollte aus Sicht von Fröhlich weiter im Mittelpunkt stehen: “Vom wirtschaftlichen Aspekt her verstehe ich, warum KI-Stimmen verlockend sind. Sie werden nicht krank, sie machen keine Termine. Aber künstlerisch ist das ganz schlimm.”

Vielleicht ist es genau das, was den neuen Pumuckl so besonders macht: Er klingt fast wie früher. Aber er erinnert auch daran, was nur echte Stimmen können.

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